Obwohl eine Kontaktreduzierung erzählt wird, ist es doch eine Antieinigelungsgeschichte. Die Geschichte für den dritten Sonntag nach Epiphanias ist der Beginn des Buches Rut. (Rut 1, 1-19a) (Das ganze Buch ist mit vier Kapiteln nicht lang und lohnt sich ganz zu lesen: Es ist ein schönes Buch: mit beherzten Frauen und Happy End. Aber lesen Sie selbst. Ich bleibe beim Anfang.)
Es ist eine Antieinigelungsgeschichte. Klein und fein erzählt sie das Buch Rut, beinahe erst im Anhang des Alten Testaments. In den Mosebüchern und der großem Erzählung der Geschichte Israels bis zum Exil ist Israels Nachbarland Moab und seine Bewohner ein schlimmer Feind. Kontakt ist, wie überhaupt zu anderen Völkern und ihren fremden Göttern, zu unterlassen. Als dann nach dem babylonischen Exil der Tempel in Jerusalem wiederaufgebaut wird, werden unter Esra und Nehemia auch Mauern gebaut und Mischehen mit PartnerInnen aus andern Völkern geschieden.
Der Beginn des Buches Rut stellt uns aber einen Mann vor, der mit seiner Frau Noomi und zwei Söhnen, während einer Hungersnot von Bethlehem nach Moab geht. Er stirbt dort. Seine Söhne heiraten Rut und Orpa, Frauen aus Moab! Auch die beiden Söhne sterben. Noomi ist mit ihren Schwiegertöchtern allein. Sie macht sich mit Ihnen auf den Weg zurück nach Bethlehem, wo der Hunger vorbei ist und es im weiteren Verlauf gut werden wird. (s.o.) Aber schon der Anfang macht klar: um Grenzen die Völker und Länder abschotten, geht es hier nicht. Grenzen sind hier eher modern gesehen Fluktuationszonen. Entsprechend warnen derzeit gerade die Vertreter von grenznahen Regionen vor Grenzschließungen, die wichtige Lebensadern kappen würden.
Eine Antieinigelungsgeschichte erzählt das erste Kapitel des Buches Rut aber auch zwischen den Frauenfiguren. Schwiegermutter und Schwiegertöchter machen sich nach ihren Verlusten gemeinsam auf den Weg. Aber Noomi meint ihren Schwiegertöchtern Hoffnung auf einen anderen Weg zu machen, während sie auf Hoffnung verzichtet und sich in Bitternis zurückzieht. Sie sieht sich von „des HERRN Hand … getroffen“, und will den anderen Frauen nicht zumuten, dieses Urteil zu teilen. Sie sagt ihnen, sie selbst habe keine Hoffnung mehr auf einen neuen Mann und neue Kinder, die sie versorgen könnten. Aber die Schwiegertöchter sollten zu ihren Ursprungsfamilien zurückkehren und ihren Frieden bei neuen Männern finden. Unter Weinen, Klagen und Liebesbekundungen nimmt Orpa, dieses Angebot an. Ein Kontakt wird reduziert. Ohne Groll verschwindet sie aus der Geschichte.
Rut reagiert anders, sie lässt sich ihre Schwägerin nicht als Vorbild empfehlen: „Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte.“ Sagt sie und legt ein Bekenntnis zu ihrer Schwiegermutter ab, dass ein beliebter Trauspruch geworden ist (Rut 1, 16f), und das zugleich ein Bekenntnis zu Noomis Gott, dem Gott Israels ist. Rut lässt Noomi also nicht nur als Schwiegertochter, als solidarische Frau in existentieller Bedrohung inmitten einer patriarchalen Umwelt, sondern auch theologisch nicht allein. Sie lässt sie sich nicht in ihrem Glauben, von Gott geschlagen zu sein, allein und sich darin einigeln. Einen solchen Glauben, das ahnt Rut richtig, gibt es mit dem Gott Israels, nicht. Weil er Liebe, Leben Barmherzigkeit und Miteinander ist. Ruth kennt ihn, im Hebräischen verwendet sie seinem Namen YHWH.
Rut reagiert anders, sie lässt sich ihre Schwägerin nicht als Vorbild empfehlen: „Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte.“ Sagt sie und legt ein Bekenntnis zu ihrer Schwiegermutter ab, dass ein beliebter Trauspruch geworden ist (Rut 1, 16f), und das zugleich ein Bekenntnis zu Noomis Gott, dem Gott Israels ist. Rut lässt Noomi also nicht nur als Schwiegertochter, als solidarische Frau in existentieller Bedrohung inmitten einer patriarchalen Umwelt, sondern auch theologisch nicht allein. Sie lässt sie sich nicht in ihrem Glauben, von Gott geschlagen zu sein, allein und sich darin einigeln. Einen solchen Glauben, das ahnt Rut richtig, gibt es mit dem Gott Israels, nicht. Weil er Liebe, Leben Barmherzigkeit und Miteinander ist. Ruth kennt ihn, im Hebräischen verwendet sie seinem Namen YHWH.
Eine Antieinigelungsgeschichte. Politisch. Und wenn auch kontaktreduziert, wie heute nötig, auch zwischenmenschlich. Und vor allem theologisch. Keine Einigelung mit einem strafenden oder einfach so harten und ungerechten Gott, oder gar einfach einem gnadenlosen Schicksal. Denn solches Einigeln macht das Herz bitter, und entzieht es den anderen zur Liebe, auch wenn es tapfer scheint sich zu opfern. Für den Kirchenvater Augustin war solche Einigeligkeit gar die Grundform der Sünde. Erst igelt es sich vor Gott ein, und dann vor den Mitmenschen und schließlich gesellschaftlich-politisch.
Aber das heißt auch: Auch wenn wir unsere Kontakte untereinander derzeit einschränken müssen, Gott gegenüber können wir uns weiterhin ermuntern lassen offen zu bleiben und damit bleibt auch gegenüber unseren Lieben und unseren Mitmenschen die Einigelungsfalle offen. Wir können auch mit Abstand solidarisch und empathisch bleiben.
Das lässt sich als Betrachter in der kleinen Szene leicht analysieren. Um es zu lernen braucht Noomi auch in der schönen Lehrgeschichte vom Buch Rut immerhin vier Kapitel. Und fängt für uns als Aufgabe wohl jeden Tag neu an, wie dies schöne Büchlein heute, dass sich zu lesen lohnt (s.o.)
Pastor Dr. Thies Jarecki zu Rut 1, 1-19a am dritten Sonntag nach Epiphanias (24. 1. 2021).